Im Juli 2020 hatten wir eine erste Prognose für den Immobilienmarkt unter dem Einfluss der tiefgreifenden politischen und wirtschaftlichen Eingriffe gewagt. Nach nunmehr einem Jahr ist es Zeit für ein Update, auch wenn eine Einschätzung der Zukunft nicht einfacher geworden ist. Die Fragen, die an uns herangetragen werden, sind:
Soll ich meine (Anlage-) Immobilien jetzt verkaufen, da das Platzen einer Blase droht? Oder soll ich sie behalten, da die Immobilienpreise stabil nach oben tendieren? Oder soll ich jetzt noch kaufen, da die Zinsen immer noch extrem günstig sind?
Welcher übergeordnete Faktor bestimmt die Immobilienpreise?
Vorrangig ist am Immobilienmarkt immer der Zins ein Maßstab für den Preis. Gemeint ist der Kapitalmarktzins (Bundesschatzbriefe, US Treasury Bonds und ähnliches), dies ist der langfristige Zins für Geldanlagen. Nicht bestimmend sind die sog. Geldmarktzinsen, das sind die kurzfristigen Zinsen für zum Beispiel Autofinanzierungen oder Kontoüberziehung.
Diese langfristigen Zinsen werden seit Jahren von den Notenbanken weltweit künstlich niedrig gehalten, die in dem Glauben sind, „die Welt mit billigem Geld flicken zu können oder zu wollen“ sagt Hans A. Bernecker, den ich Ihnen vor einem Jahr schon ausführlich vorgestellt habe. Bernecker weiter: „Solange die Zinsen niedrig bleiben, ist der Immobilienmarkt in Deutschland noch entwicklungsfähig, aber nicht in dem Tempo wie bisher“.
Die Kernfrage ist also, bleiben die Zinsen niedrig? Auf absehbare Zeit ja. Die US Notenbank hat kürzlich bekannt gegeben, dass sie sich vorstellen könnte, ab 2023 die Zinsen langsam zu erhöhen, und hat mit dieser vorsichtigen Aussage auf den Märkten helle Aufregung verursacht.
Es ist so, dass die Staatsfinanzen weltweit einfach keine höheren Zinsen vertragen, schon gar nicht in der Eurozone.
Normalerweise folgen die europäischen Zinsen solchen Schritten aus den USA mit einer deutlichen Zeitverzögerung, wir sehen also noch ein paar Jahren mit niedrigen Zinsen entgegen.
Baukosten
Natürlich bestimmen die Baukosten (Materialpreise und Löhne) als weiterer großer Faktor den Preis von Wohnimmobilien. Sie haben es den Medien sicher entnommen (es war ja nicht zu übersehen): aufgrund von Lieferketten-Schwierigkeiten sind die Kosten von Baumaterialien wie zum Beispiel Holz in den letzten Monaten explodiert und verteuern somit neben den immer größeren Auflagen von Seiten der Politik den Neubau. Es wird nicht billiger.
Dies hat dann direkte Auswirkungen auf die Preise gebrauchter Immobilien: wenn Neubau „unbezahlbar“ wird, wenden sich viele Interessenten dem Markt für bestehende Immobilien zu. Dort steigt die Nachfrage ohne eine Erweiterung des Angebotes, was tendenziell zu weiter steigenden Preisen führt.
Hohe Baukosten und Mangel an Bauplätzen zusammen haben dazu geführt, dass trotz reger Bautätigkeit immer noch ca. 630.000 Wohnungen fehlen.
Angebot an Bauland
Das Angebot an Bauland (siehe Kasten rechts) ist ein weiterer wichtiger Faktor. Und das ist einfach zu klein. Es hilft nichts, wenn es in strukturschwachen Gebieten in Ost und West viel billiges Bauland oder leere Wohnungen gibt. Die Leute ziehen in oder in die Nähe der Wirtschaftszentren und dort ist Wohnraum und eben auch Bauland, mit dem man dem knappen Wohnraum entgegenwirken könnte, Mangelware.
Kaufkraft
Das Geldvermögen in Deutschland beträgt insgesamt 7 Billionen €, allein in Bargeld sind es 2,8 Billionen €. Natürlich sind diese Beträge regional und individuell sehr unterschiedlich verteilt. Dennoch liegt eine wirklich hohe Kaufkraft vor, die auch Immobilien kaufen kann. Und ein nennenswerter Teil dieses Geldes wird auch als Wohnungsnachfrage auftauchen.
Wirtschaftsentwicklung
Deutschland ist nun mal ein Exportland. Als Beispiel: Die beiden wichtigsten Märkte für unsere Produkte sind außerhalb der EU China und die USA. Die Wirtschaft in den USA nimmt mit Riesenschritten Fahrt auf und für China wird ein Wirtschaftswachstum von 6 % erwartet. Die Industrie wird also voraussichtlich weiter gute Exportgeschäfte machen und Deutschland wird mal wieder nicht zusammenbrechen (ich weiß, das ändert nichts am Schicksal vieler kleiner Gaststätten- und Ladenbesitzer, aber unsere Industrie bestimmt nun mal die große Richtung). Also, auch die Wirtschaftsentwicklung wird den Immobilienmarkt nicht abwürgen.
Es ist wichtig, dass wir mit dem größten Unsinn des Immobilienverkaufs kurz aufräumen: mit der Aussage „Immobilien werden immer im Preis steigen, weil Grund und Boden nicht beliebig vermehrbar ist“.
Wenn Sie sich die folgende Grafik anschauen sehen Sie, dass in Deutschland (einem der am dichtesten besiedelten Staaten der Welt) nur 14,4 % des Landes mit Gebäuden oder Verkehrsflächen bebaut sind.
Der Anteil für Gebäude beträgt hierbei etwas über 7%. Wir haben also keine Knappheit an möglichem Bauland, sondern es ist eine politische Frage: Jede Gemeinde entscheidet darüber, ob sie Bauland freigibt und zur Verfügung stellt oder nicht. Das fehlende Bauland ist also politischer Wille und nicht geographischer Mangel.
Fazit:
- Die Bauzinsen sind und bleiben in naher Zukunft niedrig.
- Das Angebot an Bauland bleibt knapp.
- Die Baukosten werden leider weiter steigen (auch wenn die Regierung sich erbarmt hat und den zwangsweisen Verbau von Solardächern nicht zum Gesetz gemacht hat, um einen weiteren Kostentreiber zu vermeiden).
- Es ist genug Geld vorhanden – sowohl Eigenkapital als auch Darlehensmittel von den Banken – sodass gekauft werden kann.
- Es ist Wirtschaftswachstum zu erwarten, das dann auch die Nachfrage nach Immobilien lebendig hält.
Bernecker fasst dies wie folgt zusammen: „In der Tendenz ist der Immobilienmarkt noch in Ordnung, weil auch der Reichtum und das Vermögen der Käufer vorhanden ist“.
Nun die Antwort auf die Eingangsfragen:
Behalten? Gerne, die Preise werden voraussichtlich in nächster Zeit nicht wegbrechen.
Verkaufen? Wenn Sie Ihre (Anlage-) Immobilie länger als zehn Jahre besitzen, eine schöne steuerfreie Wertsteigerung gehabt und einen Verwendungszweck für das freiwerdende Geld haben – warum nicht verkaufen und den Gewinn realisieren? Hier kommt dann allerdings oft der Einwand „was soll ich denn dann mit dem Geld machen?“. Ehrlich gesagt wissen wir im Augenblick auch gerade nichts Besseres.
Kaufen? Ja, auch wenn die Preise in den nächsten Jahren nicht mehr so in den Himmel steigen werden wie in den letzten, ist der Immobilienmarkt auf absehbare Zeit in Ordnung.